„Es geht auch ohne Strafen“ ist das bahnbrechende Buch der Autorin und Schulgründerin Aida S. de Rodriguez. Das Buch richtet sich sowohl an Eltern, als auch an Kitas und Schulen und den dort Beschäftigten. Auf über 200 Seiten beleuchtet das Buch die Hintergründe und Wirkmechanismen von Strafe und Belohnung und wirbt dafür, Kinder auf Augenhöhe zu begleiten. Dafür gibt es auch praktische Impulse für Eltern, Pädagogen und Leitungen.
Die Autorin
Die Autorin selbst ist Gründerin der freien APEGO-Schule in Berlin, die komplett auf Staf- und Belohnungssysteme verzichtet. Ihr Ziel ist es, Kindern ein gewaltfreies Aufwachsen zu ermöglichen und sie auf Augenhöhe beim Lernen zu begleiten. Dahinter steht ein positives Bild vom Kind.
Teil 1: Wirkmechanismen von Strafen
An vielen Regelschulen wird noch mit Strafen in Form von schlechten Noten, Verweisen oder Strafarbeiten gearbeitet. In dem Buch „Es geht auch ohne Strafen“ wird zunächst das Bild vom Kind als soziales Wesen erläutert und unter Bezug auf diverse Quellen dargelegt, warum Strafen vielleicht kurzfristig erwünschtes Verhalten hervorrufen, langfristig aber dem echten Lernen und Verinnerlichen von Werten schaden. Bezug genommen wird hierbei unter anderem auf die Literatur des Schweizer Kinderarztes Remo H. Largo und die Grundsätze der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg.
Betont wird dabei die Wichtigkeit der Wahrnehmung der Bedürfnisse und die ständige Reflexion, sowohl beim Kind als auch beim Lernbegleiter, wie AIDA S. de Rodriguez die Pädagogen und andere unterstützende Erwachsene bezeichnet.
Die Autorin betont weiter die Wichtigkeit der Bindung zwischen Lernbegleiter und Kindern für das Lernen.
Es erfolgt eine Analyse, warum auch heutzutage noch Strafen – zum Teil unter dem Euphemismus „Konsequenzen“ eingesetzt werden, obwohl den meisten Erwachsenen ihre Schädlichkeit bewusst ist. Die Begrifflichkeiten „Strafe“ und „Konsequenz“ werden klar abgegrenzt und erläutert. Hier erfolgt eine Sensibilisierung für Handlungsweisen, die oftmals als „Konsequenz“ bezeichnet werden, im eigentlichen Sinne jedoch eine Strafe sind. An Beispielen werden versteckte Strafmechanismen im Alltag aufgezeigt.
Die Autorin macht auch eine bislang wenig beachtete Diskriminierungsform aufmerksam: den Adultismus. Dies bezeichnet die Diskriminierung von Kindern allein aufgrund ihres Alters. An zahlreichen Beispielen erläutert sie diese strukturelle Benachteiligung von Kindern in Alltag und Schule.
In einem weiteren Kapitel werden unter Bezug auf die wissenschaftliche Forschung die negativen Folgen von Strafen näher erläutert. Dabei werden insbesondere die Mechanismen von Schuld und falschen Erwartungen aufgezeigt. Es wird auf die Schädlichkeit für die Beziehung und die damit verbundenen Konsequenzen abgestellt.
Teil Zwei: Handlungsoptionen
Im zweiten Teil des Buches gibt die Autorin praktische Tipps zum positiven Umgang mit Kindern in Alltag und Schule.
Anhand eines konkreten Beispiels ihrer Schule schildert sie den bedürfnisorientierten Umgang mit Konflikten und vermeintlichem Fehlverhalten. Sie erläutert dabei die Grundsätze der Gewaltfreien Kommunikation und vornehmlich der dahinter stehenden Haltung und deren Wichtigkeit beim Umgang mit anderen Menschen. Sie lädt dazu ein, bei für Erwachsene unerwünschtem Verhalten den Blick zu weiten und die Bedürfnisse sowie die Gesamtsituation des Kindes zu betrachten.
Des Weiteren regt sie dazu an, keine faulen Kompromisse einzugehen, bei der jede Seite nachgeben muss, sondern nach kreativen Lösungen zu suchen, die die Bedürfnisse aller Beteiligten erfüllen. Sie gibt dabei Impulse unter anderem für die Themenfelder Mobbing, körperliche Übergriffe und Medienkonsum. Sie erläutert die Hintergründe der sogenannten Wackelzahnpubertät und der später folgenden Pubertät, die ebenfalls für Lehrpersonen eine große Rolle bei der Berücksichtigung der Bedürfnisse der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen spielen.
Aida S. de Rodriquez verzichtet dabei bewusst auf konkrete Handlungsvorschläge und betont ihr Bewusstsein, dass geschilderte Lösungen an ihrer freien Schule im Regelschulsystem nicht immer eins zu eins umsetzbar seien. Gleichzeitig ist es ihr ein Anliegen – wie es der Titel schon verdeutlicht – Impulse für den Schulalltag zu geben. Es geht um Haltung, nicht um Handlung. Die reflektierte Haltung kann dabei auch in starren Systemen zu friedvollen Lösungen ohne Strafen führen. Ganz klar grenzt sie sich dabei ab von der antiautoritären Erziehung oder einer Laissez-faire-Haltung. Sie behandelt dabei auch die Themen der Opferrolle und Verantwortung sowie des Setzens von Grenzen.
Teil 3: Konkrete Alternativen
In Teil 3 gibt die Autorin kurz und knackig 28 Alternativen zu Strafen an die Hand. Sie verkennt dabei nicht, dass Veränderung und das Abrücken von gewohnten Strafmechanismen Zeit braucht. Die aufgezählten Alternativen sind dabei eine schnelle Erste Hilfe, die den Prozess unterstützen kann und es ermöglicht, in Stresssituationen handlungsfähig zu bleiben. Einige der Alternativen betreffen primär die Eltern-Kind-Beziehung, andere sind gut auch im Schulumfeld umsetzbar.
Fazit
Das Buch „Es geht auch ohne Strafen“ ist eine absolute Leseempfehlung für Lehrende und Schulleitungen. Selbst wenn man anderer Meinung ist, erweitert es den Horizont und regt zum Nachdenken und Hinterfragen an. Auch wenn man der Meinung ist, keine Strafen einzusetzen, so wird in dem Buch doch an vielen Beispielen gezeigt, wo Kinder im (Schul-)Alltag oftmals aus strukturellen Gründen nicht ernst genommen und unterdrückt werden.
Nicht zuletzt wächst die „Unerzogen-“ und „Bedürfnisorientiert-“ Bewegung immer weiter an und immer mehr Eltern hinterfragen das Schulsystem und das damit oft verbundene Belohnungs- und Bestrafungssystem. Schon um sich mit den Argumenten der Eltern auseinandersetzen zu können, sollte man sich mit den Hintergründen beschäftigen. Aida S. de Rodriquez ist eine wichtige Akteurin dieser Bewegungen und hat vor allem in den sozialen Medien eine hohe Reichweite.
Infos zum Buch:
Aida S. de Rodriguez:
„Es geht auch ohne Strafen!
Kinder auf Augenhöhe begleiten.
Impulse für Familie, Kita und Schule“
Paperback , Klappenbroschur, 208 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
2. Aufl. 2020
ISBN: 978-3-466-31127-9
Erschienen am 28. Oktober 2019 im Kösel Verlag