Es gibt kaum einen Beruf, in dem so beständig in enormer Lautstärke gesprochen werden muss, wie im Lehrberuf. Dennoch gehört ein Stimmtraining nicht zu den üblichen Aus- und Weiterbildungsangeboten für (angehende) Lehrer:innen. Welche Vorteile bringt es mit sich und wieso wäre es für alle Lehrer:innen sinnvoll?
Stimme und Unterrichtserfolg
Ziel des Unterrichts ist gängigen Definitionen zufolge der Kompetenzerwerb auf Seiten der Schüler:innen. Dass hierfür der Einsatz der Stimme nötig ist, liegt auf der Hand: Wer nicht spricht, kann nur schwer Inhalte vermitteln, Debatten leiten und spontane Rückmeldungen geben. Doch damit sind die Möglichkeiten, die die Stimme bietet, noch lange nicht ausgeschöpft. Sie ist nicht nur Medium der Sprache, sondern auch ein wichtiger Instrument der Regulierung sozialer Beziehungen – und diese sind im Klassenraum von zentraler Bedeutung. Wer seine Stimme geschickt und variiert einsetzen kann, hat es leichter, eine laute Klasse zur Ruhe zu bringen, Interesse zu wecken oder zurückhaltende Schüler:innen angemessen in den Unterricht einzubinden. Darüber hinaus entscheidet die Stimme mit über Sympathie oder Antipathie – und damit über das Verhältnis zu den Schüler:innen.
Was so noch sehr abstrakt klingt, lässt sich leicht veranschaulichen: Eine in immergleicher Tonlage vorgetragene Geschichte ist langweilig – ganz egal, wie viel Potential der Text bietet. Wer sich diesen Umstand im Unterrichtsalltag immer wieder ins Gedächtnis ruft und seine Stimme in Lautstärke, Härte, Höhe und Melodie bewusst einsetzt, kann seinen Unterricht deutlich beeinflussen.
Stimme und Gesundheit
Doch nicht nur auf den Unterricht hat der Einsatz der Stimme enormen Einfluss, sondern auch auf die Gesundheit der Lehrer:innen. Wer nicht auf seinen Stimmeinsatz achtet, hat nach einem Arbeitstag mit nicht selten fünf oder mehr Unterrichtsstunden häufig mit Heiserkeit zu kämpfen – und auf Dauer mit chronischen Problemen der Stimmbänder.
Doch damit nicht genug. Eine Studie des an der Universitätsklinik Freiburg angesiedelten Instituts für Musikermedizin hat den Einfluss des Stimmeinsatzes auf die Psyche in den Blick genommen. Lehramtsreferendar:innen wurden zu diesem Zweck in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt ein Stimmtraining, die andere fungierte als Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der Erhebung zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen allgemeinem psychischen Zustand und Stimmtraining bestand: In der Gruppe mit Stimmtraining sank der allgemeine psychische Zustand zum Ende des Referendariats, der durch vielfältige Stresssituationen geprägt ist, signifikant weniger stark ab als in der Kontrollgruppe.
Insgesamt kann ein Stimmtraining damit gleich zwei gesundheitliche Risikofaktoren im Lehrberuf abfedern – und wird dementsprechend von Wissenschaftler:innen, die zu diesem Thema forschen, für die Praxis empfohlen.
Angebote für Lehrer:innen
Das Angebot für (angehende) Lehrer:innen ist bisher dennoch eher gering. Einige Universitäten haben jedoch bereits Angebote in das Lehramtsstudium integriert – wenn auch häufig nur in Form unregelmäßig angebotener Seminare. Daneben bieten vor allem private Unternehmen, aber auch Logopäd:innen Trainings an, die sich explizit an Lehrpersonen richten.
Inhalt der Stimmtrainings sind meist theoretische sowie praktische Einheiten, die ein Bewusstsein für die eigene Stimme schaffen und den gezielten Einsatz einüben sollen. Verbunden sind derartige Module meist mit solchen, die sich mit dem Atem und der Körperhaltung befassen, da hier eine gegenseitige Beeinflussung besteht.
Quellen:
https://www.uni-giessen.de/fbz/zentren/zfbk/afk/modulbeschreibungen/zfbk1/muendlkommunikation/stimmtraining/download
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00106-016-0157-3.pdf
https://www.cornelsen.de/magazin/beitraege/stimmtraining-lehrer-tipps