Jeder hat sie schon einmal gesehen, diese kleinen Bildchen und Filmchen von oft minderwertiger Qualität: Internet-Memes. Sprechende Katzen, Menschen, die wie ein Brett an merkwürdigen Orten liegen, perverse Witze – Internet-Memes scheinen aufgrund ihrer oft trivialen Komik und ihrer simplifizierenden Darstellung alles andere als geeignet für den Unterricht. Dabei wohnt dieser Kommunikationsform, die von Schülern oft und gern produziert und rezipiert wird, ein bisher ungenutztes Potential inne…
Was sind Internet-Memes?
Der Begriff „Meme“ als Gegenstück zum „Gen“ wurde 1976 von Dawkins geprägt, um kleine kulturelle Einheiten zu bezeichnen, die der Mensch durch Imitation weiterverbreitet. Das kann der Stil sein, in dem ein Bild gemalt wird, eine bestimmte Idee oder eine spezifische Art und Weise des Sprechens. Ziel des Memes sei seine schnellst- und bestmöglichste Verbreitung in der Gesellschaft.
Dieses Konzept wurde von der Internet-Community auf Internet-Memes übertragen: kleine kulturelle Einheiten, die von Nutzern nicht nur imitiert, sondern auch transformiert werden und sich je nachdem global verbreiten – so wie „Grumpy Cat“, die asoziale Katze, eine von vielen Fellpfötlern, die im Internet kursieren.
Zur Erklärung des Internet-Memes kann aber genauso gut der „Advice Dog“ dienen. Er ist definiert durch eine bestimmte Strukturformel: Ein Hund auf farbigem, strahlenförmigem Hintergrund gibt einen schlechten Rat. Von der Form her würde man von einem „Image Macro“ sprechen: Ein Bild, das allen zur Verfügung steht, wird unten und/oder oben mit Text versehen.
Hätte sich nur dieses eine Bild mit diesem einen Text global verbreitet, würde man von einem „Viral“ sprechen, weil es sich wie ein Virus rasch und weitflächig verbreitet hat – und da es eine memetische Ästhetik verwendet (Image Macro) wäre es auch ein Meme-Ästhetikum. Aber die Strukturformel „schlechter Rat von einem Hund“ ermöglicht Variation, es wurden andere Texte ersonnen, vielleicht wurde sogar das Originalbild bearbeitet – und schon entstand durch Transformation ein Internet-Meme, eine Ansammlung von strukturähnlichen, aber variierten Artefakten.
Bis heute hat das Internet-Meme „Advice Dog“ die Kreativität der Nutzer angeregt und zur Schaffung neuer Internet-Memes angeregt, bis sie eine Meme-Familie mit dem Titel „Advice Animals“ bildeten. Während der „Actual Advice Mallard“ ernstzunehmende Ratschläge erteilt, gibt sein bösartiger Gegenpart „Malicious Advice Mallard“ (erkennbar an dem roten Kopf) nur Ratschläge, die man definitiv nicht befolgen sollte. Andere Mitglieder dieser Meme-Familie geben ebenfalls mehr oder weniger ernst gemeinte, komische, putzige Ratschläge – oder überhaupt keine: „Advice God“, „Panzer of the lake“ oder „Business Cat“.
Warum sind Internet-Memes wichtig?
So trivial Internet-Memes auf den ersten Blick erscheinen mögen, so vielfältig sind ihre Funktionen. Über Ländergrenzen hinweg dienen sie der sozialen Vernetzung und dem Transport von Ideen und Diskussionen. Ihre komischen Mittel dienen der Entspannung und der Katharsis, der kritischen Satire und dem degradierenden Spott, der Verarbeitung von Tragödien und Reduzierung von Angst (dieses Phänomen zeigt sich beispielsweise bei Ebola-chan und Corona-chan, (meist sexualisierte) Personifizierungen der jeweiligen Krankheit, durch welche diese verniedlicht wird).
Die einen Nutzer verwenden sie, um anderen einen Streich zu spielen (das sogenannte „Trolling“), um zu provozieren und zu schocken; andere Nutzer erzeugen damit weltweite Aufmerksamkeit für ein Problem (z.B. die „ALS Ice Bucket Challenge“, bei der sich die Teilnehmer mit eiskaltem Wasser aus einem Eimer übergossen, um auf die Nervenkrankheit Amyothrope Lateralsklerose aufmerksam zu machen). Oder aber Memes sind Entertainment. Oder Zeitvertreib. Oder pure Kreativität, Phantasie, Sprachspiel. Oder Kritikvehikel wie in China, wo das „Grass Mud Horse“ und der „River Crab“ die chinesische Regierung kritisieren. So viele Funktionen, positive wie negative, die Internet-Memes zu einem faszinierenden Teil unserer Lebenswelt machen…
Internet-Memes in den Unterricht
Die gegenwärtigen Schüler als „netizens“ haben ein ganz anderes Medienverhalten als die Generationen davor – da bringt eine Medienerziehung, die Karikaturen zum Radio zeigt, nicht mehr viel. In einem kulturellen Lebensraum bestehend aus Streaming-Diensten, Internet-Videos, Influencern und eben Internet-Memes muss sich eine moderne Schule zwei Fragen stellen: Wie können wir Internet-Memes im Unterricht kritisch besprechen – und wie können wir ihre gefällige Art für unsere eigene Didaktik nutzen?
Internet-Memes also als Unterrichtsmittel und als Unterrichtsgegenstand – als Mittel, weil sie für Schüler motivierend und gut verständlich sind, als Gegenstand, weil sie neben den positiven Effekten ebenso viele negative zeitigen können. Sind Porno-Memes und Hitler-Memes moralisch vertretbar? Darf man Will Smith, der Chris Rock schlägt, für einen Witz verwenden? Ist das Back-to-the-Kitchen-Meme ein ironisch gemeinter sexistischer Kommentar, gedacht als Seitenhieb – oder ist es in Wahrheit ein sexistischer Kommentar, der sich hinter Komik versteckt?
Internet-Memes eignen sich für Diskussionen, als anregender Einstieg, als Zusammenfassung von Unterrichtsinhalten, sogar als Verbalfeedback bei Prüfungen – alles dies Möglichkeiten, die in dieser Artikelreihe vorgestellt werden sollen, damit Internet-Memes den Platz im Unterricht und den Schulprogrammen erhalten können, der ihnen angemessen ist…