Ein Mangel an Lehrkäften wird seit Jahren beklagt. Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes geht derzeit bundesweit von 30.000 bis 40.000 unbesetzten Stellen aus und Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft spricht davon, dass der Mangel sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich verschärft habe. In dieser sich verschärfenden Lage rückten und rücken Quereinsteiger:innen ohne Lehramtsausbildung in den Fokus des Schulsystems. Doch wie steht es hier um die Unterrichtsqualität?
Qualitätsverluste durch Quereinsteiger:innen?
Der Philologenverband warnt immer wieder vor Quereinsteiger:innen im Lehramt: Sie seien schlechter qualifiziert, was zu Qualitätsverlusten im Unterricht führe. Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Lehrerverband sprach diesbezüglich gar von einem „Verbrechen an den Kindern“. Dass die Zahl der Quereinsteiger:innen in den Klassenzimmern wächst, ist ein Fakt: 2011 waren rund 1.400 in den Schulen tätig; 2021 bereits rund 3.000. Auch markante Unterschiede zwischen den Bundesländern lassen sich feststellen. So entfielen in Thüringen im Schuljahr 2017/18 etwa 46,6 und in Berlin 41,5 Prozent Prozent der Neueinstellungen auf Quereinsteiger:innen, während Bayern, Hessen und das Saarland in diesem Schuljahr keine Quereinsteiger:innen einstellten. Darüber hinaus ist die Datenlage jedoch dünn.
Die wenigen bestehenden Studien zu Quereinsteiger:innen und ihrer Unterrichtsqualität widerlegen die Aussagen Meidingers wie des Philologenverbandes jedoch. Eine an der Universität Potsdam durchgeführte Studie konnte etwa zeigen, dass Personen, die sich für einen Quereinstiegsmaster zur Nachqualifizierung für das Lehramt entschieden, sich weder hinsichtlich ihrer Kompetenzen noch hinsichtlich ihrer berufsbezogenen Einstellungen signifikant von regulären Lehramtsstudierenden unterscheiden.
Eine andere Studie, die regulär ausgebildete Lehrer:innen für Mathematik und Physik mit Quereinsteiger:innen in diesen Fächern verglich, kam zu dem Schluss, dass hinsichtlich des Fachwissens keine signifikanten Unterschiede bestanden. Belegen lässt sich ferner, dass Quereinsteiger:innen beim Einstieg in den Lehrberuf meist über mehr praktische pädagogische Erfahrung verfügen als regulär ausgebildete Lehrkräfte; diese hingegen haben sich im Studium stärker mit Fragen des Lehrens und Lernens auseinandergesetzt. Hinsichtlich der fachdidaktischen Fähigkeiten zeigten sich in den wenigen bestehenden Untersuchungen kaum Unterschiede zwischen beiden Gruppen.
Keine umfassenden Studien
Umfassende Studien existieren – wie bereits erwähnt – bisher jedoch nicht. So hat keines der sechzehn Bundesländer bisher eine Evaluation durchführen lassen, im Rahmen derer Kompetenzen und/oder Unterrichtsqualität von Quereinsteiger:innen systematisch untersucht wurden. Die referierten Daten stammen aus Einzeluntersuchungen, die sich Stichproben bestimmter Gruppen von Quereinsteiger:innen sowie regulär ausgebildeten Lehrkräften vornahmen.
Auf der Grundlage der bisherigen Daten lässt sich jedoch nicht belegen, dass die Unterrichtsqualität des von Quereinsteiger:innen gegebenen Unterrichts hinter der des von regulär ausgebildeten Lehrkräften zurückliegt. Christin Lucksnat weist zwar darauf hin, dass ein geringeres psychologisch-pädagogisches Wissen es erschwere, die Klasse zu organisieren und so eine tragbare Lernsituation zu schaffen; gleichzeitig macht sie jedoch auch deutlich, dass Quereinsteiger:innen viele Kompetenzen mitbringen – auch solche, die nicht Zielpunkt des Lehramtsstudiums, jedoch relevant für die Schule sind.
Gestützt wird diese Annahme auch durch einen weiteren Befund aus einer Studie der Uni Potsdam. Demnach sind Quereinsteiger:innen im Durchschnitt belastbarer als regulär ausgebildete Lehrkräfte. Während in letztgenannter Gruppe 38 Prozent zum resilienten Gesundheitstyp zählen, sind es unter den Quereinsteiger:innen 50 Prozent. Stress kann damit besser bewältigt werden, was eine im Lehrberuf wesentliche Kompetenz darstellt. Zurückgeführt werden kann das möglicherweise auf die bewusste und nach Einstieg in die Berufswelt erfolgte Entscheidung für den Lehrberuf und den damit verbundenen Reflexionsprozess der eigenen Eignung sowie der Erwartungen.
Fazit: Kein schlechterer Unterricht
Abschließend lässt sich damit festhalten, dass Quereinsteiger:innen nicht per se hinsichtlich ihrer unterrichtlichen Kompetenzen hinter regulären Lehrkräften zurückstehen. In den allermeisten bisher untersuchten Variablen unterschieden sie sich nicht von diesen. Defizite im psychologisch-pädagogischen Wissen können sie durch eine erhöhte Belastbarkeit sowie neue Perspektiven ausgleichen.