
Das vietnamesische Schulsystem weist einige Gemeinsamkeiten mit anderen asiatischen Schulsystemen auf, die in diesem Blog bereits vorgestellt wurden. So spielt Leistungsdruck auch im Alltag vietnamesischer Kinder eine große Rolle und auch Unterricht am Nachmittag und Abend ist in diesem Land völlig normal.
Die Schullaufbahn umfasst in Vietnam 12 Jahre und, wie in den meisten Ländern, besteht eine Schulpflicht. Trotzdem kann nicht jedes Kind in die Schule gehen. Zwar werden fast alle Kinder im Alter von 5 Jahren eingeschult, die fünfjährige Grundschule schließen allerdings nur etwa 65 Prozent von ihnen ab. Gründe hierfür sind die Schulgelder und Materialkosten, die sich viele Eltern nicht leisten können. Insbesondere in ländlichen Regionen sind viele ärmere Familien auch auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen, weshalb diese nicht zum Unterricht erscheinen können. Stattdessen arbeiten viele Kinder mehr als 40 Stunden pro Woche und tragen so zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei. Können Kinder aus ärmeren Familien trotzdem zur Schule gehen, müssen deren Eltern oft hart arbeiten, um die Schulkosten tragen zu können. Dementsprechend erwarten sie auch, dass die Kinder die elterlichen Mühen mit angemessen Leistungen würdigen. Doch auch einige Kinder reicherer Eltern klagen nicht selten über Überarbeitung. Dies liegt vor allem daran, dass sie nach dem Unterricht, welcher in der Regel bis zum Nachmittag dauert, Nachhilfestunden oder Musikunterricht belegen. Danach müssen dann noch die Hausaufgaben erledigen, sodass oft auch Schüler[1] einen „Arbeitstag” von rund 10 Stunden besitzen.
Während der Grundschulzeit lernen die Kinder neben Lesen, Schreiben und Rechnen zunächst wichtige Verhaltensregeln und Grundwerte der Gesellschaft. So auch das konfuzianistische Lernprinzip, nach welchem die meisten Vietnamesen leben. Dieses besagt, dass ein Mensch nur durch ständiges Lernen im Leben vorankommen kann. Aufgrund dieser Vorstellung bilden sich Vietnamesen insbesondere im Kindesalter in vielen Bereichen weiter und besuchen beispielsweise Musik- und Kunstkurse oder Verbessern ihre schulischen Leistungen durch die Teilnahme an entsprechenden Zusatzveranstaltungen. Am Ende der 5. Klasse findet eine Prüfung statt, deren Bestehen die Voraussetzung für den Besuch einer weiterführenden Schule. Diese dauert je nach Wahl drei oder vier Jahre. Hier erlernen die Schüler grundlegendes Wissen in verschiedenen Fächern. Zum Schluss wird eine Abschlussprüfung absolviert, die eine Voraussetzung für die Einschreibung an einer Universität ist. Die zweite Voraussetzung ist der vierjährige Besuch der weiterführenden Schule. Nach drei Jahren wird zwar ein vollwertiger Abschluss erreicht, dieser qualifiziert die Absolventen für eine Ausbildung, jedoch nicht für ein Studium an einer Universität. Viele Universitäten bieten Teilzeitstudiengänge an, welche sich großer Beliebtheit erfreuen, da die Studenten zusätzlich einen Beruf ausüben können.
Ein großes Problem an vietnamesischen Schulen ist die Beurteilung der Lehrer. Da die Abschlussprüfungen von nahezu jedem Schüler bestanden werden, wird das Durchfallen einzelner Kinder auf mangelnde Qualifikationen der Pädagogen zurückgeführt. Aus Angst, eine entsprechende Abwertung zu erfahren, kommt es vor, dass Lehrer ihren Schülern während der Prüfungen beim Betrügen unterstützen, indem sie beispielsweise den Einsatz von Spickzetteln bewusst übersehen.
[1] Anmerkung: Im folgenden Artikel wird zur einfacheren Lesbarkeit lediglich das männliche Geschlecht verwendet. Dieses steht in diesem Fall stellvertretend für sämtliche existierende Geschlechter, sodass niemand ausgeschlossen wird.