Tatsächlich ist es vielleicht schwer vorstellbar, aber schon innerhalb Europas unterscheiden sich die Schulsysteme zum Teil drastisch voneinander. Nimmt man Deutschland als Maßstab, ist die französische Bildungssystem wohl sehr exotisch. Die Unterschiede sind gravierend, weshalb es sich durchaus lohnt, einen Blick darauf zu werfen.

Die Schullaufbahn kann in Frankreich bereits mit 3 Jahren beginnen. In diesem Alter kann die Vorschule Ecole maternelle freiwillig und kostenlos besucht werden. Dieses Angebot nehmen nahezu alle Franzosen[1] in Anspruch. Voraussetzungen hierfür ist, dass die Kinder windelfrei sind. Diese Einrichtungen ist eine Mischung aus Schule und Kindergarten. Es wird gespielt, aber auch nach einem festen Tagesablauf gelernt. Am Mittwoch haben die Kinder frei. Die Ecole maternelle ist in drei Jahrgangsstufen geteilt, in denen die Kinder von verschiedenen Lehrern unterrichtet werden. In der ersten Klasse wird außerdem ein Mittagsschlaf in einer großen Halle gemacht.
Mit 6 Jahren kommen die Kinder für 5 Jahre in die Grundschule Ecole primaire. Ab hier beginnt auch die Schulpflicht. Ein Schultag beginnt um 8:30 Uhr und endet spätestens um 15:30 Uhr. Lediglich am Mittwoch findet der Unterricht nur vormittags statt. Ein Grund für die langen Schultage ist das ausgiebige, warme Mittagessen in der Kantine. Die besteht in der Regel aus 4 Gängen. Um allen Schülern die gleichen Lernvoraussetzungen zu bieten, bekommen die Kinder Schuleinkaufslisten, fournitures, auf denen ganz genau angegeben ist, welche Materialien die Schüler benutzen müssen.
Nach der Ecole primaire kommen alle Schüler, unabhängig von ihren Leistungen auf das Collège. Hier bleiben sie bis zur 9. Klasse. Am Ende dieser Schulzeit wird die Abschlussprüfung le brevet geschrieben. Diese besteht aus schriftlichen Klausuren in Mathematik, Französisch, Geschichte oder Erdkunde und einer mündlichen Prüfung in Kunstgeschichte. Das französische Schulsystem legt großen Wert auf Kunst und Kultur, weshalb bereits in der Ecole maternelle regelmäßig Kunstmuseen besucht und Gedichte auswendig gelernt werden. Dies wird auch in den höheren Bildungseinrichtungen fortgesetzt. Auch schulische Abendveranstaltunge, die bis nach 21 Uhr andauern sind in Frankreich keine Seltenheit. “Normale” Schultage dauern meist bis 16:30 Uhr oder maximal bis 18:00 Uhr. Der kürzeste Tag ist auch weiterhin der Mittwoch.
Mit 16 Jahren endet die französische Schulpflicht. Jedoch ist es allen Schülern gestattet, nach dem Collège drei weitere Jahre auf das Lycée zu gehen. Hier haben sie die Wahl zwischen dem Lycée général, welches von den meisten Schülern besucht wird, dem Lycée technique und dem Lycée professionnel, welche beide in etwa mit den beruflichen Gymnasien hierzulande gleichzusetzen sind. Die Schullaufbahn am Lycée endet mit dem baccalauréat (baq), dem französischen Äquivalent zum Abitur. Anders als in Deutschland hat in Frankreich jeder die Möglichkeit, das baccalauréat abzulegen, weshalb dieser Abschluss in Frankreich verbreiteter ist als in Deutschland das Abitur.
Ein großer Unterschied zum deutschen Schulsystem stellt die Notenvergabe dar. Das Zensurenspektrum reicht von 0 bis 20, wobei 20 die beste und 0 die schlechteste Note ist. Auf digitalen Unterricht wird bis zum Lycée nahezu vollständig verzichtet. Erst in den höheren Klassen können Tablets oder PowerPoint-Präsentationen zum Einsatz kommen. Auch Handys sind bis zum Lycée in den Schulen verboten und müssen deshalb vor dem unterricht abgegeben werden. In den höheren Klassen obliegt die Entscheidung über ein Handyverbot der Schulleitung.
[1] Anmerkung: Im folgenden Artikel wird zur einfacheren Lesbarkeit nur das männliche Geschlecht verwendet. Es steht stellvertretend für alle möglichen Geschlechter und schießt damit niemanden aus.