Vor 20 Jahren war der Beruf des Schulsozialarbeiters noch größtenteils unbekannt. Derzeit (Stand Juni 2022) soll es in Deutschland rund 15.000 Stellen für Schulsozialarbeit geben, und für viele Schulen gehört Schulsozialarbeit inzwischen zur Norm. Die sozialpädagogischen Fachkräfte sind zumeist unbefristet bei den Kommunen angestellt, einige bei Schulverbänden, beim Kreis oder bei freien Trägern. Sozialpädagogen sind üblicherweise Personen mit abgeschlossenem Hochschul- oder Fachhochschulstudium im Bereich Soziale Arbeit, Sozialpädagogik, Bildungs- und Erziehungswissenschaft oder damit verwandten Studiengängen.
Was genau verbirgt sich hinter Schulsozialarbeit?
Schulsozialarbeit versteht sich als professionelles sozialpädagogisches Angebot. In der Regel besteht eine verbindlich vereinbarte gleichberechtigte Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Grundlage für das Tätigwerden von Schulsozialarbeit sind das Schulgesetz des jeweiligen Bundeslandes sowie das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII). Der Erziehungsauftrag der Lehrkräfte bleibt von der Schulsozialarbeit unberührt und wird durch sie nicht ersetzt. Vielmehr stellt sie eine Ergänzung dar.
Grundsätze von Schulsozialarbeit
Schulsozialarbeit folgt in der Regel einem ganzheitlichen, systemischen und ressourcenorientierten Ansatz. Hauptzielgruppe sind die Schülerinnen und Schüler. Das Angebot kann jedoch von allen an Schule beteiligten Personen wahrgenommen werden, also auch von Lehrkräften, Hausmeistern, Eltern und Sekretären.
1. Ganzheitlich, systemisch und ressourcenorientiert
Schulsozialarbeit sieht den Menschen als Ganzes und bezieht das soziale Umfeld der ratsuchenden Person in die Beratungen mit ein. Jede Person wird ernst genommen und soll spüren, dass sie mit allen Themen zur Schulsozialarbeit kommen kann, ohne eine Abwertung oder Bagatellisierung des eigenen Anliegens zu erfahren. Sie soll sich angenommen und gesehen fühlen, dem Schulsozialarbeiter vertrauen und eine gute Beziehung aufbauen können. Die Stärkung der psychischen Widerstandskraft, also der Resilienz, steht stets im Vordergrund, um die Ratsuchenden für weitere Herausforderungen und Krisen zu wappnen und um sie von dem Angebot der Schulsozialarbeit unabhängig zu machen.
2. Freiwilligkeit des Angebots
Eine schulsozialpädagogische Beratung basiert auf Freiwilligkeit. Das bedeutet, dass weder Schüler noch andere an Schule beteiligte Personen zu einer Beratung gezwungen werden. Die Freiwilligkeit des Angebots ist eine wichtige Gelingensbedingung, damit sich die jeweilige Person in der Beratung sicher fühlt und sich öffnen kann.
3. Schweigepflicht
Schulsozialarbeit unterliegt generell der Schweigepflicht. Alle Gespräche bleiben somit vertraulich, mit Ausnahme von Fällen der Kindeswohlgefährdung. Wenn zum Beispiel der 9-jährige Luis* (*Name geändert) der Schulsozialarbeiterin erzählt, dass sein Vater regelmäßig viel trinkt, ihm die Hand ausrutscht und Luis mit blauen Flecken zur Schule kommt, muss die Schulsozialarbeiterin sich mit einer Kinderschutzfachkraft über das weitere Vorgehen abstimmen. Ein Ergebnis könnte sein, dass das Jugendamt eingeschaltet wird und dieses Kontakt zu der Familie aufnimmt, um ihr Hilfe anzubieten. Vorrangiges Ziel ist immer, die Familie zu stabilisieren, damit das Kind in der Familie bleiben kann.
Niedrigschwelliges Angebot
Die Schulsozialarbeit hat meistens ein Beratungsbüro im Schulgebäude oder in dessen unmittelbarer Nähe, damit sie gut erreichbar ist. Diese räumliche Nähe soll die Niedrigschwelligkeit des Angebots sicherstellen. Der Weg soll möglichst leicht gemacht werden, so dass auch zurückgezogene und schüchterne Kinder und Jugendliche eine Beratung bei Bedarf wahrnehmen.
Beratungsthemen
Eine Beratung kann bei allen möglichen Anliegen erfolgen. Sowohl Kinder, die im Streit miteinander sind, finden den Weg zur Schulsozialarbeit, als auch Jugendliche, die sich von einer Lehrkraft ungerecht behandelt fühlen. Häufig kommen die Ratsuchenden auch mit privaten Herausforderungen wie Menstruationsbeschwerden, Fragen nach der eigenen sexuellen Identität, Krankheit oder Tod eines Familienmitglieds oder selbstverletzendem Verhalten.
Beratung vs. Therapie
Schulsozialarbeit ist kein therapeutisches Angebot, auch wenn die Übergänge zwischen Beratung und Therapie fließend sein können. Sie setzt an den Ressourcen und Stärken des Individuums an und leistet eine Hilfe zur Selbsthilfe. Ist zum Beispiel aufgrund einer psychischen Erkrankung diese Selbsthilfe nicht möglich, kann Schulsozialarbeit ein therapeutisches Angebot empfehlen und bei der Therapieplatzsuche unterstützen.
Förderung der Sozialkompetenz
Schulsozialarbeiter können auf Wunsch von Lehrkräften oder Schülern im Unterricht hospitieren, um sich das Verhalten von Lehrkräften, Schülern oder der ganzen Klasse anzusehen. Aus diesen Beobachtungen wird zunächst hervorgehoben, was gut läuft und welche Verhaltensweisen so beibehalten oder gestärkt werden können. Eventuell werden Handlungsempfehlungen ausgesprochen.
Teilnahme an Klassenratsstunden
Hin und wieder nimmt Schulsozialarbeit an Klassenratsstunden teil, um Themen mit der gesamten Klasse zu besprechen. Dabei kann die Lehrkraft dabei sein. Manchmal ist sie jedoch nicht dabei, wenn es den Kindern und Jugendlichen dadurch leichter fällt, offen über ihre Anliegen zu reden. Es kann hierbei zum Beispiel um Konflikte mit Klassen- oder Fachlehrkräften gehen, aber auch um die eigene Klassengemeinschaft.
Mediation bzw. Konfliktklärung
Schulsozialarbeit kann Konflikte zwischen Schülerinnen und Schülern klären. Die Klärung garantiert keine schöne Lösung. Sie schafft aber geklärte Verhältnisse, was Grundlage für ein aufrichtigeres Miteinander sein kann.
Berufs- und Lebensthemen
Auch bei beruflichen oder anderen Lebensthemen berät Schulsozialarbeit und vermittelt die ratsuchende Person bei Bedarf zum Beispiel an die Berufsberatung weiter. Schulsozialarbeit kann dabei als Schnittstelle agieren zwischen Schule und öffentlichen oder freien Beratungsstellen sowie Jugendhilfe, Vereinen, Trägern anderer sozialer Dienste, Einrichtungen zur beruflichen Orientierung und Eingliederung sowie gemeinnützigen Organisationen.
Begleitung und Mitwirkung an schulischen Veranstaltungen
Schulsozialarbeit kann bei Elternabenden begleiten, an Lehrkräfte-, Schul- und Schulentwicklungskonferenzen oder Schulentwicklungstagen teilnehmen und ist teilweise in die Schulleitung eingebunden. Sie kann beratend an Klassenkonferenzen und Helferkreisen mit dem Jugendamt oder weiteren Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen teilnehmen.
Freizeitpädagogisches Angebot
Je nach Stellenaufbau kann Schulsozialarbeit im freizeitpädagogischen Bereich zum Beispiel Mädchen- und Jungengruppen, Sozialtrainingsstunden oder sportliche Aktivitäten anbieten. Originär gehören Ganztags- und freizeitpädagogische Angebote jedoch nicht zum Aufgabenbereich der Schulsozialarbeit.
Konzeptionelle Arbeit
Schulsozialarbeit kann an der Entwicklung und Umsetzung von Präventionskonzepten mitwirken wie zum Beispiel bei der Entwicklung eines schulischen Schutzkonzeptes zur Prävention von sexualisierter Gewalt.
Viele Sozialarbeiter arbeiten untereinander vernetzt, um sich gegenseitig mit anonymen, kollegialen Fallberatungen zu unterstützen und um sich selbst und ihr Beratungsangebot zu reflektieren. In Zukunft könnte Schulsozialarbeit sogar im digitalen Raum eine Rolle spielen und mit einem sozialpädagogischen Online-Angebot wie videogestützter Beratung oder einem Krisenchat unterstützen. Passend dazu ist im Wintersemester 2021/2022 erstmalig ein neuer Studiengang „Soziale Arbeit Dual-Digital“ gestartet.
Schulsozialarbeit ist ein sehr spannendes, vielfältiges Tätigkeitsfeld, das vermutlich immer mehr an Bedeutung gewinnen wird.