Als Lehrpersonal glaubt man oft, dass für Dyslexiker und Dysorthographiker aufwendiger, differenzierender Unterricht geplant werden muss – dabei kann der gesamte Unterricht solcherart pädagogisiert werden, dass auch andere Schüler davon profitieren. Von Sitzplatz bis Hausaufgaben – hier folgen nur effektive Maßnahmen, die der Lehrer leicht umsetzen kann.
Sitzplatz
Haben die Schüler Schwierigkeiten beim Tafelabschrieb oder beim Verstehen der Arbeitsaufträge, kann eine Veränderung des Sitzplatzes einiges ausmachen. Klassiker sind vorne oder mittig sitzen. Das Ganze sollte allerdings abgesprochen werden – sitzt der betroffene Schüler lieber hinten bei seinem besten Freund, der ihn zusätzlich unterstützt, hat er den besten Platz für sich bereits gefunden.
Arbeitsaufträge
Ein guter Arbeitsauftrag erklärt erst das Ganze, dann die Teile. Es sollte darauf geachtet werden, die Aufgabenstellung nicht unnötig zu verkomplizieren: Einfacher Satzbau, eher kürze Sätze und visuelle Hilfen unterstützen das Verständnis. Besonders hilfreich ist die Untergliederung des Auftrags in Teilaufgaben – so kann der Schüler Erledigtes abhaken, ohne etwas zu übersehen:
Markiere in den folgenden Sätzen die Satzglieder.
- Bestimme erst Subjekt, Prädikat, Objekt und adverbiale Bestimmungen.
- Gib an, ob das Objekt ein Dativ- oder Akkusativobjekt ist.
Sind die Begriffe oben dann noch nach einem Farbschema bunt markiert, werden sich auch andere Schüler besser orientieren können. Mündliche Aufträge hingegen sollten nicht zu schnell erteilt werden, mit lauter Stimme und deutlicher Aussprache – schriftlich fixieren zwecks Nachschauen sollten man sie trotzdem.
Dennoch sollte man bedenken: Dyslexiker und Dysorthographiker werden nicht immer nachfragen, wenn sie etwas nicht verstehen – aus Angst, Scham oder weil sie glauben, es verstanden zu haben. Deshalb sollte das Verständnis der Arbeitsaufträge überprüft werden, indem der Schüler ihn noch einmal verbalisiert – nicht unbedingt vor der Klasse, sondern am besten dem Lehrer alleine.
Layout
Gerade bei Dyslexikern ist es besonders wichtig, eine gute Lesbarkeit aller Texte (auch Arbeitsaufträge) zu gewährleisten. Hilfreich wäre es schon, wenn man die hundertmal kopierten, unleserlichen Aufgaben nicht noch einmal kopieren würde – gute Druckqualität hilft dem Schüler.
Gerade bei Dyslexikern gilt aber, dass alle Texte besonders gelayoutet sein müssen – tut man das für alle Schüler, spart das Zeit und hilft beim schnelleren, korrekteren Lesen:
- Schriftart: ARIAL (weil serifenlos und klar)
- Schriftgröße: 14
- Zeilenabstand: 1,5
Von „Open Dyslexic“ – einer eigens für Dyslexiker entwickelten Schrift – ist allerdings abzuraten: Manche Dyslexiker verwirrt sie nur noch mehr.
Schüler drannehmen
Dyslexiker und Dysorthographiker haben, wenn sie drangenommen werden, oft Angst vor einer Blamage. Hilfreich zur Reduzierung ihrer Unsicherheit oder Angst ist eine schrittweise Annäherung: Man kann den Schüler dann drannehmen, wenn man sicher sein kann, dass er die (einfache) Antwort kennt und ihn anschließend dafür loben – das stärkt das Selbstbewusstsein und erhöht die Wahrscheinlichkeit für weitere Meldungen.
Des Weiteren kann man Absprachen treffen à la „Du meldest dich in dieser Woche einmal freiwillig – das reicht erst mal aus“. Hat der Schüler Angst vor dem Vorlesen, könnte der Lehrer ihm in der Vorstunde den Textabschnitt bezeichnen, für den er ihn drannehmen wird – dann kann sich der Schüler bereits zuhause vorbereiten.
Wichtig ist, dass sich der Schüler wie auch der Lehrer an diese Absprachen halten – bricht beispielsweise der Lehrer das gegebene Versprechen, den Schüler nicht dranzunehmen, geht das Sicherheitsgefühl verloren und der Schüler zieht sich wieder zurück.
Tafelabschrieb
Als Lehrer sollte man sich wenigstens einmal im Leben hinten ins Klassenzimmer stellen und seine eigene Schrift an der Tafel untersuchen: Ist sie wirklich leserfreundlich, sodass jeder Buchstabe klar und deutlich zu sehen ist? Ist sie groß genug? Hilfreich beim Lesen kann die Verwendung von Blockbuchstaben sein, die wegen der Trennungen zwischen jedem Buchstaben viel klarer und einfacher zu lesen sind als Schreibschrift.
Allgemein gilt, dass Tafelbilder reduziert sein sollten: Je mehr Text, desto mehr und schneller werden Dyslexiker und Dysorthographiker abschreiben müssen, was die Fehlerquote erhöht und ein Verständnis des Abgeschriebenen erschwert. Während des Tafelan- und abschriebs zu reden, ist ebenfalls nicht sinnvoll: Der Schüler kann nicht gut gleichzeitig abschreiben und zuhören. Ist das Tafelbild trotzdem sehr groß, könnte man überlegen, es dem Schüler als Lückentext auszudrucken.
Heftführung
Blockbuchstaben sind einfacher, schneller und klarer als Schreibschrift – deswegen sollte der Schüler das auch in seinem Heft tun dürfen. Wenn möglich wird in der Fachliteratur immer wieder empfohlen, ganz von Papier wegzukommen und mit digitalen Mitteln zu arbeiten. Das Schreiben mit dem Computer hat viele Vorteile, nicht nur, dass die Buchstaben auf der Tastatur immer an der gleichen Stelle und zu ähnliche Zeichen voneinander getrennt sind, sondern auch, dass die Schüler durch Programme unterstützt werden können. Das Layout z.B. kann der Schüler sich dann selbst je nach Bedürfnislage anpassen. Zu beachten ist nur, ob die Schüler tatsächlich mit der Eingabe und dem Gerät umgehen können – sonst wird das Digitale statt einer Hilfe zu einem zusätzlichen Handicap.
Pädagogische Unterrichtsstruktur
In der Hauptsache profitieren die Dyslexiker und Dysorthographiker also von demjenigen Unterricht, der so ist, wie er eigentlich sein sollte: Klar strukturiert und an ihrem Lerntempo orientiert. Ein guter Unterricht gibt dem Schüler die Zeit, den Stoff zu durchdringen; überfrachtet ihn nicht mit Hausaufgaben, für die er ewig braucht, sondern gibt punktuell sinnvoll durchdachte Arbeitseinheiten auf; vermittelt neue Inhalte am Anfang der Stunde; baut Entspannungsphasen (z.B. Lernspiele) ein; leitet den Schüler vom Einfachen zum Schwierigen, vom Groben zum Detail, vom Konkreten zum Abstrakten. Anstelle Schülern die Definition des Tagebuchs vorzulegen, sollte man also lieber erst einen solchen Eintrag mit ihnen lesen. Am Ende werden davon auch die anderen Schüler profitieren.