Glaubt man an Klischees, sind Chinesen[1] hochintelligent und folgsam. Tatsächlich sind diese Vorurteile nicht komplett erfunden. Viele Chinesen sind wirklich schlau und gehorsam. Ein Grund für diese Mentalität ist das lokale Schulsystem. Im internationalen Vergleich erhalten chinesische Schüler stets Bestnoten. Allerdings gilt dies für die Bildungseinrichtungen in den Großstädten. In den ländlichen Regionen sieht die Realität ganz anders aus. Hier mangelt es an den nötigen Ressourcen, um den Schülern ein umfangreiches Lernangebot und entsprechende Zukunftsperspektiven zu bieten. Seit 2010 ist das Land bestrebt, das Bildungssystem zu reformieren. Dazu gehört vor allem auch das Ziel, eine lernende Gesellschaft aufzubauen, in der alle Schüler die gleichen Chancen haben, ihre individuellen Persönlichkeiten besser entfalten und eine Hochschule besuchen können. Hierfür investiert die chinesische Regierung jedes Jahr große Mengen an Geld in die Bildung. Im Jahr 2010 waren es beispielsweise 3,7 % des Bruttoinlandsprodukts, was in etwa 6 Billionen US-Dollar entspricht.
Um diese Ziele erreichen zu können, wurde das chinesische Bildungssystem in den letzten 10 Jahren grundlegend verändert. Dadurch konnten einige Erfolge verzeichnet werden, welche auch weiterhin anhalten: In der aktuellen PISA-Studie stehen die chinesischen Schüler auf Platz 1 und im World University Ranking von 2022 befinden sich 6 Universitäten des Landes unter den Top 100 Hochschulen weltweit.
Der Hauptgrund für das besondere Ansehen der chinesischen Schüler ist deren Intelligenz. Diese beruht vor allem auf dem hohen Lernaufwand, der im Land betrieben wird. Ein Schultag kann bis in die Nacht dauern. Ab 20 Uhr stehen zwar nur noch Hausaufgabenkurse auf dem Programm, diese können aber bis Mitternacht stattfinden. Und selbst danach lernen viele Schüler vor dem Schlafen noch weiter. Auch an den Wochenenden werden Nachhilfekurse besucht, was aufgrund der hohen Kosten für diese Zusatzangebote für einige Eltern ein großes Problem darstellt. Viele Familien treibt dies in den finanziellen Ruin. Da die Plätze an den Eliteuniversitäten jedoch begrenzt sind und der Leistungsdruck dementsprechend immens ist, nehmen viele Eltern dies Hürde auf sich. Selbst in den Sommer- und Winterferien, die in China insgesamt 3 Monate andauern, wird nicht auf das Lernen verzichtet.
Bereits im Kindergarten findet eine vorschulische Bildung statt. Hier lernen die Kinder vor allem Gehorsam, Disziplin und Ordnung. Die chinesische Schulpflicht gilt für 9 Jahre. Die Kinder werden mit 6 Jahren eingeschult und besuchen daraufhin 6 Jahre die Grundschule. Danach folgen drei Jahre Untere Mittelschule. Weitere 3 Jahre Obere Mittel- bzw. Berufsschule sind nicht mehr vorgeschrieben. Ab diesem Zeitpunkt ist der Schulbesuch auch nicht mehr kostenlos. Außerdem ist es nötig, eine Prüfung abzulegen, die über die weitere Schullaufbahn bestimmt. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, an einer Universität zu studieren. Dieses Schulsystem wird allerdings nahezu ausschließlich in den Städten berücksichtigt. In den ländlichen Regionen ist ein Besuch der Schule von lediglich 5 Jahren keine Seltenheit.
In den Klassen sitzen bis zu 60 Schüler, was besonders in den ländlichen Regionen auf die hohe Bevölkerungsdichte und fehlende Ressourcen zurückzuführen ist. Es werden Uniformen getragen, die stets sauber sein müssen, da sonst der Zugang zum Unterricht verwehrt werden kann. Prüfungen finden monatlich statt. Diese zeigen den Leistungsstand der Schüler. Die Entscheidung, ob Schüler in die nächste Jahrgangsstufe versetzt werden oder die Klasse wiederholen müssen, liegt bei diesen selbst oder bei deren Eltern.
Gerade aufgrund des starken Leistungsdrucks, der für viele Schüler zu gesundheitlichen Problemen führt, steht das chinesische Schulsystem regelmäßig in der Kritik. Die hervorragenden Ergebnisse in den internationalen Studien belegen jedoch, dass sich der hohe Auswand auszahlt. Ob der Preis dafür zu hoch ist, liegt im Auge des Betrachters.
[1] Anmerkung: Aufgrund der einfacheren Lesbarkeit wird in diesem Artikel das männliche Geschlecht verwendet. Es sind jedoch stets Personen jeden Geschlechts gemeint.