Wir alle kennen es. Das eine Kind bekommt Ärger, das andere nicht, obwohl es sich um die selbe Angelegenheit handelt. Höhere oder niedrigere Erwartungen ohne relevante Grundlage. Lob für den einen, jedoch nicht für den anderer, bei identischer Leistung. Die Schubladen, in die andere Menschen gesteckt werden, anhand ihrer beispielsweise äußerlichen Erscheinung, ihrer Ausdrucksweise oder ihrer sozialen Schicht. Entscheidungen aus Sympathie oder der erste Eindruck, der an einem haften bleibt.
Immer dann, wenn ein Mensch einen anderen Menschen beobachtet und bewertet, besteht die Gefahr der subjektive Wahrnehmung. Diese Wahrnehmungs- oder auch Beobachtungsfehler stellen eine Fehleinschätzung der tatsächlichen objektiven Beobachtung dar und sind nicht nur in personellen Bereichen, sondern auch im psychologischen oder pädagogischen Bereich problematisch.
Diese Beobachtungsfehler gehen vor allem auf die persönliche Einstellung und Haltung, sowie die eigene Vergangenheit zurück. Zudem kann es vorkommen, dass der Beobachter Informationen wahrnimmt, die nicht vorhanden sind oder vorhandene Informationen in der Beurteilung nicht berücksichtigt und ausblendet.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten diese Fehler zu minimieren.
Idealerweise dauert die Beobachtung nicht länger als 30 Minuten am Stück. Nach dieser Zeit lässt die Konzentration nach und Fehler nehmen zu. Während der Beobachtungszeit sollte es zudem ausschließlich um die Beobachtung gehen. Alles was benötigt wird, sollte bereitliegen (Beobachtungsboden, Notizzettel, Stifte, etc.) und auch Tätigkeiten die die Beobachtung nicht betreffen sollten in dieser Zeit abgeben oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Darüber hinaus ist es wichtig die Beobachtung strickt von der Bewertung zu trennen und keine Interpretationen mit einfließen zu lassen. Vorschnelles festlegen ist hier fehl am Platz.
Um persönliches aus der Bewertung herauszuhalten ist es außerdem wichtig, sich selbst und seine Schwächen zu kennen. Biografiearbeit, Reflexionen und kollegialer Austausch haben sich stets bewährt.
Wichtig ist auch sich mit den Wahrnehmungsfehlern auseinanderzusetzen, um diese erkennen und vermeiden zu können.
Die folgende Auflistung bietet einen Überblick der häufigsten Beobachtungsfehler:
- Halo-Effekt
Eine einzelne Eigenschaft überstrahlt alle anderen Eigenschaften, so dass durch diese ein Urteil über die Persönlichkeit gefällt wird. (z.B. unordentlich=unzuverlässig oder intelligent=freundlich)
- Pygmalion-Effekt
Alles eine Frage der Einstellung. So verhält es sich auch mit der Auswirkung der eigenen Einstellung auf Andere. Geht die beobachtende Person positiv gestimmt an ein Kind heran, weil es ihm viel zutraut, so wird sich das Kind auch mehr zutrauen. Umgekehrt funktioniert das Prinzip ebenfalls. So wird das Beurteilungsergebnis durch die eigene Haltung beeinflusst.
- Sympathieeffekt
Menschen die einem sympathisch sind, werden von einer beobachteten Person positiver wahrgenommen. Fehlverhalten fällt weniger ins Gewicht oder wird in ein besseres Licht gerückt. (z.B. ein sympathisches Kind ärgert ein anderes, was von der beobachteten Person als „wehren“ interpretiert wird.)
- Falscher Maßstab
Bei der Beobachtung schließt der Beobachter auf sich selbst. (z.B. das Kind ist unfähig oder stellt sich ungeschickt an, weil es nicht so sauber ausschneiden kann, wie es die beobachtende Person kann.)
- Überbewertung negativer Informationen
Fehlverhalten fällt dem Beobachter schneller und häufiger auf, welches die Bewertung negativ beeinflusst.
- Selektive Wahrnehmung
Hierbei wird nur eine bestimmtes Merkmal ins Auge gefasst, während alle weiteren aus der Aufmerksamkeit verschwinden. Dann wird beispielsweise nur eine störende Eigenschaft wahrgenommen und positive ausgeblendet und umgekehrt.
- Primacy-Recency-Effekt
Der erste oder auch der letzte Eindruck bleiben der beobachteten Person im Kopf und fließen in die Beurteilung ein.
- Stereotype und Vorurteile
Die beobachtende Person ordnet Menschen in verschiedene Kategorien ein und beurteilt sie danach und nicht individuell.
- Implizierte Persönlichkeitstheorien
Ähnlich wie beim Halo-Effekt wird hier von einer Eigenschaft auf eine andere geschlossen, ohne das diese mit einander zusammenhängen. (z.B. Kinder die gerne Malen, Lesen auch gerne.)
Darüber hinaus ist es sinnvoll seine Bewertungstendenz zu kennen und in die Reflexion miteinzubeziehen. Es gibt drei verschiedene Typen:
- Strenge-Tendenz
- Tendenz zur Mitte
- Milde Tendenz
Je nach dem welche Tendenz einem selbst innewohnt, wird die Beobachtung entweder eher streng, milde oder neutral bewertet.