
Warum gehen Frauen eigentlich immer zu zweit auf Klo? Dafür mag es viele verschiedene Gründe geben. Einer davon ist, um einfach ein bisschen quatschen zu können. Und genau darum geht es auf dem YouTube-Kanal „Auf Klo“.
„Auf Klo“ entstammt der Feder der KOOPERATIVE BERLIN im Auftrag von funk. funk ist ein gemeinsames Angebot der Fernsehsender ARD und ZDF. Mit mehr als 95 Millionen Aufrufen auf YouTube seit 2016 und 346.000 Abonnenten (Stand Mai 2022) erreicht „Auf Klo“ ein großes, vor allem junges Publikum. Doch was hat es mit diesem Kanal auf sich?
Unverblümte, direkte und ehrliche Aufklärungsarbeit
Zweimal pro Woche gehen die Moderatorinnen Eda Vendetta, Maria Popov und Lisa Sophie Laurent abwechselnd mit ihren Gästen auf Klo – also in ein Studio, das sich in einem Toilettendesign präsentiert. Dort konfrontieren sie ihre Gäste, häufig Experten auf ihrem Themengebiet, offen und unverblümt mit Fragen, die viele nicht einmal der besten Freundin stellen würden.
Es geht um Themen wie Geschlechtskrankheiten, Nägelkauen, Schönheitsoperationen, gleichgeschlechtliche Liebe, Sexspielzeug, Menstruation, Masturbation oder den ersten Kuss. Themen, mit denen sich ganz sicher sehr viele Jugendliche, aber auch manche erwachsenen Personen auseinandersetzen.
Wer sich ein wenig durch die Videos auf dem Kanal klickt, findet Antworten auf Fragen wie:
- Wie viel Schwitzen ist normal?
- Wie setze ich eine Menstruationstasse ein?
- Darf ich mich selbst befriedigen?
- Habe ich Borderline?
- Was denkt eine Sexarbeiterin?
- Ist es schon Zeit für das erste Mal?
- Sieht man, ob ich noch Jungfrau bin?
- Wie fühlt sich eine Angststörung an?
- Ist Intimbehaarung okay oder muss ich mich rasieren?
Die Gesprächsrunden mit Eda, Maria und Lisa Sophie wirken dabei weder aufgesetzt noch verklemmt. Sie kommen ungezwungen und humorvoll rüber – trotz teilweise sehr direkter Fragen.
Unter anderem befeuert durch die Offenheit in den sozialen Medien, tauchen auch im Schulalltag bei Jugendlichen neben dem bekannten Pubertätsalltag immer häufiger Themen wie Transsexualität oder nicht-binäre Geschlechtsidentität auf: Tina fühlt sich als Junge und möchte jetzt Julian genannt werden. Anton kann sich keinem der Geschlechter zuordnen und bezeichnet sich als non-binär. Da kommen Fragen auf wie: Wo geht Tina bzw. Julian ab sofort zur Toilette? Wo zieht sich Anton für den Sportunterricht um? Wissen die Eltern Bescheid und tragen sie den Entschluss ihres Kindes mit? Brauchen sie womöglich selbst Beratung, weil das Thema völlig neu für sie ist?
Je mehr Offenheit Lehrkräfte in ihrer Klasse signalisieren, umso eher werden solche Themen dort Raum finden und ans Tageslicht befördert. Das sind Anzeichen einer neuen Normalität, die gleichzeitig von einigen Herausforderungen begleitet ist, zum Beispiel mit der Frage nach den gewünschten Pronomen für eine non-binäre Person. Hier kommt „Auf Klo“ ins Spiel und kann bei einer lockeren Aufarbeitung und Aufklärung im Unterricht helfen.
„Auf Klo“ im Unterricht
Wenn eine jugendliche Person sich der Lehrkraft anvertraut und sich vor der Klasse „outen“ möchte, können Videos von „Auf Klo“ weiterhelfen. Unangenehme Fragen werden dort im entspannten Dialog geklärt, sodass entweder eine gute Gesprächsbasis in der Klasse entstehen kann oder die Person, die sich outet, selbst keine weiteren Fragen mehr beantworten muss.
Ein anderes Thema sind z. B. Menstruationscups. In einem der Videos erhalten mehrere weibliche und männliche Personen einen Menstruationscup und sie sollen raten, worum es sich dabei handelt. Die wenigsten können mit diesem kleinen Hütchen etwas anfangen und vermuten eine Art Präservativ dahinter.
Womöglich sind viele aus der eigenen Klasse mit dem Thema noch nie in Berührung gekommen. Je nachdem, wie aufgeschlossen die Klasse ist, kann im Unterricht gemeinsam weitergedacht werden: Welche Alternativen gibt es noch zu den bislang bekannten Menstruationsprodukten wie Tampons, Binden und Menstruationscups? Auch spannend wäre zu klären: Wo und wie können die Jugendlichen ihre Menstruationscups in der Schule säubern? Hat die Klasse vielleicht Ideen, die eine echte Abhilfe schaffen können? Wichtig hierbei: Kichern und Lachen sind unbedingt erlaubt, denn viele Pubertätsthemen sind schambesetzt.
Hier empfiehlt sich die Lektüre des Buches „Verletzlichkeit macht stark: Wie wir unsere Schutzmechanismen aufgeben und innerlich reich werden“ von Brené Brown, Professorin am Graduate College of Social Work in Houston, Texas. In diesem Buch geht es um Scham und wie sich eine Scham-Resilienz aufbauen lässt. Ihre wichtigsten Tipps hierfür sind: Scham erkennen und anerkennen und sie durch offenes Sprechen darüber in Verletzbarkeit und damit in Stärke wandeln. Wenn Lehrkräfte und Jugendliche ehrlich sagen, dass z. B. das Thema Menstruation sie eventuell peinlich berührt und sie sich schämen, offen darüber zu sprechen, kann echte Verbindung und Beziehung entstehen, weil die eigene Verletzbarkeit sichtbar wird.
„Auf Klo“ kann ein Eisbrecher sein. Sicherlich wird durch die Behandlung im Unterricht die eine oder der andere Jugendliche neugierig gemacht, sich noch weitere Videos anzuschauen. Dank solcher komplett werbefreien Kanäle, die den Jugendlichen nicht irgendwelche Produkte andrehen wollen, können diese eine weitaus modernere Form der Aufklärung als noch vor 20 Jahren erfahren.
Hier geht es zum YouTube-Kanal von „Auf Klo“:
https://www.youtube.com/aufklo
Hier geht es zur Webseite von Brené Brown:
https://www.brenebrown.com