Inklusion ist mehr „nur“ als Integration
Inklusion? Da geht’s doch um die Integration von Menschen mit Behinderung. Stimmt. Auch! Berechtigterweise sei aber ergänzt, dass Inklusion grundsätzlich die Einbeziehung von Menschen in die Gesellschaft beschreibt. Laut der Konvention der UNO, die in Deutschland im Jahr 2009 in Kraft getreten ist, ist Inklusion ein Menschenrecht und beschreibt die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben.
Während lntegration die Menschen in vorhandene Gesellschaftssysteme einbeziehen möchte, zielt die Inklusion darauf, Hürden und Herausforderungen zu überwinden, die ausgrenzend wirken. Jedem Einzelnen soll der Zugang ermöglicht werden, diese Systeme von Grund auf mitzugestalten und eine Vielfalt der Perspektiven und Haltungen einzubringen. Ziel ist es, dass sich unsere Gesellschaft bunt, divers, heterogen entfalten kann und dies wertzuschätzen.
Die Herausforderung der Inklusion in Schule
Was selbstverständlich sein sollte, bedarf rechtlicher und praktischer Rahmenbedingungen und und einen langwierigen Prozess des Umdenkens. Einen Part hierzu trägt die inklusive Pädagogik bei, die auf dem Prinzip beruht, Diversität in Bildung und Erziehung anzuerkennen. Die Vorraussetzungen für das Gelingen zu schaffen gilt als eine der wichtigen Aufgaben von Politik und Schule. Das bedeutet sowohl eine solide, finanzielle Basis zu generieren wie auch infrastrukturelle Eckpunkte klug und gezielt in den Schultag einzubauen. Ausreichendes Personal und Räumlichkeiten sind notwendig. Doch es braucht auch Zeit, um die Herausforderungen zu stemmen.
Durch zusätzliche Lehrerstellen, Gemeinsamen Unterricht, durch IntegrationshelferInnen, SchulbegleiterInnen und SozialpädagogInnen sind in den vergangen Jahren mehr und mehr Rahmenbedingungen geschaffen worden, allen Kindern und Jugendlichen die bestmöglichen Förder- und Entwicklungschancen zukommen zu lassen. Unterschiedliche Konzepte zielen darauf, SchülerInnen mit Behinderung und besonderem Förderbedarf einen wohnortnahen Zugang zu schaffen, gleichberechtigt in Regelschulen unterrichtet zu werden. Wenngleich gute Konzepte und motivierte, engagierte PädagogInnen alleine oftmals nicht ausreichen, der Grundgedanke der Inklusion ist unumstösslich und unbedingt erstrebenswert.
Inklusion bedeutet breit und kreativ zu denken
Die Gleichberechtigung steht hier nicht zur Diskussion. Schon aber die Frage, ob das Ziel, alle Kinder und Jugendlichen in inklusiven Regelschulen zu unterrichten, nicht eigentlich den Grundgedanken der Inklusion zum Wackeln bringt. Ist es denn überhaupt sinnvoll und wünschenswert, jedes Kind oder jeden Jugendlichen im gleichen Rahmen zu unterrichten?
Spricht das vielleicht sogar gegen die individuelle Förderung und die Anerkennung von Unterschieden? Nicht zwingend. Aber, es bedarf der Wahlfreiheit. Inklusion bedeutet nämlich, selbst entscheiden zu können, wie und an was ich teilhaben möchte.
Inklusion in Schule ist darüber hinaus weit mehr als die Förderung von SchülerInnen mit Behinderung oder besonderem Förderbedarf in Regelschulen. Sie muss viel breiter denken und darf nicht in festgefahren Strukturen des Schwarzweißdenkens stecken bleiben. Die Wege zu Lernen sind ebenso vielfältig und facettenreich wie die Menschen, die sie gehen.
Es gibt SchülerInnen mit Behinderung oder erhöhtem Förderbedarf, die in der Großgruppe einer inklusiven Regelschule mit zusätzlichem Personal positive Erfahrungen machen und eine sehr gute Lernentwicklung aufzeigen. Ebenso finden wir Kinder und Jugendliche, die in diesem System überfordert sind und untergehen. Jenen, denen das Lernen in kleinen Klassen einer Förderschule weitaus besser dazu verhilft, ihre individuellen Ziele verfolgen zu können.
Darüber hinaus ist jede neue Idee willkommen, die Förderung des Einzelnen zu unterstützen. Es gilt kreativ zu denken und ungewöhnlich-außergewöhnliche Pfade zu betreten und einzigartige Settings zu schaffen. Kontroverse oder paradoxe Methoden sind erwünscht. Dabei bedarf es auch einer gewissen Portion an Mut, innovativ zu handeln und auszuprobieren. Denn nur so kann es gelingen, das Höchstmaß individueller Förderung zu erreichen, wenn personelle und zeitliche Ressourcen es zulassen. Die positive Entwicklung von SchülerInnen ist stets im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen, aber auch damit zu sehen, wie sehr die Bedürfnisse des Einzelnen gesehen werden und auf diese eingegangenen wird.
Inklusion – Ein Menschenrecht für alle
Die Motivation und das Engagement solche Wege zu beschreiten dürfen jedoch nicht einem eindimensionalen Fokus zum Opfer fallen. Wir sprechen hier über die Teilhabe von Menschen mit Behinderung und SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf. Tatsächlich bedeutet inklusive Pädagogik aber doch weit mehr. Denn all die o.g. Anstöße gelten doch für alle Kinder und Jugendlichen. Jedem muss die Teilhabe und individuelle Förderung zugute kommen, wenn wir von Gleichberechtigung sprechen.
Eine klassische Falle im pädagogischen Bereich ist leider immer wieder das „Übersehen“. Während wir vermehrt Zeit in die Kinder und Jugendlichen investieren, die durch Einschränkungen oder auffälliges Verhalten herausstechen, schenken wir jenen, die still sind, sich regelkonform zeigen und durchschnittliche bis gute schulische Leistungen erbringen, oftmals wenig Aufmerksamkeit. Doch, auch sie haben das Recht auf Inklusion. Was schlicht bedeutet, gleichberechtigt wahrgenommen zu werden.
Nämlich genau das ist doch Inklusion. Jeder ist anders und das ist auch gut so. Und jeder besitzt die gleichen Rechte, Pflichten und Wahlmöglichkeiten. Jeder Mensch soll frei darüber entscheiden können, wie er oder sie ihr Leben ausgestalten. Unsere Aufgabe als PädagogInnen muss darauf zielen, jeden Einzelnen wertzuschätzen und zu fördern und damit den Prozess einer diversen, bunten Gesellschaft aktiv mitzugestalten.