Die Idee einer umfassenden Volksbildung für jedes Kind entstand bereits während des Mittelalters. Jedoch waren einige Reformen und Strukturänderungen nötig, um dieses Ziel auch zu erreichen. Eine Wende ereignete sich im 19. Jahrhundert, als man sich dazu entschied, die kindliche Welt in das Lernen miteinzubeziehen. Der Unterricht wurde damit kindgerechter gestaltet und auf die Fähigkeiten der Schüler[1] angepasst. Außerdem wurde das Lernen mit zunehmendem Alter anspruchsvoller. Des Weiteren wurde die Notwendigkeit eines regelmäßigen Unterrichts erkannt. Aus diesen neuen Denkansätzen entstanden Strukturen, die bis heute in unseren Erziehungs- und Ausbildungssystemen zu finden sind.
In Preußen wurden die ersten Volks- bzw. Elementarschulen gegründet, die als erste Stufe einer Ausbildungskette angedacht waren. Ähnlich wie in der heutigen Grundschule wurden hier alle schulpflichtigen Kinder unterrichtet. Diese dauerte vom sechsten bis zum vierzehnten Lebensjahr, also acht Jahre. In Bayern waren es sieben Jahre. Doch mit dem Ende der Elementarschulen war die Ausbildung nicht zwangsläufig abgeschlossen: Beispielsweise konnte die Mittelschule, auf der die heutig Realschule basiert, besucht werden. Deren erfolgreicher Abschluss, genannt mittlere Reife, ermöglichte Absolventen den Zugang zur mittleren Beamtenlaufbahn. Auch Gymnasien existierten im 19. Jahrhundert bereits. Anders als noch in der Antike ging es hierbei jedoch nicht mehr um körperliche Ertüchtigung. Stattdessen handelte es sich nun um höhere Schulen, die auf den Staatsdienst oder ein Studium an einer Universität vorbereiteten. Die Gymnasialklassen waren deutlich kleiner als an den Volks- und Realschulen. Nur jedes zehnte Kind hatte die Möglichkeit, dort am Unterricht teilzunehmen, da bürgerliche Kinder oft schnellstmöglich als Arbeitskräfte benötigt wurde und daher nur eine Volksschulbildung erhielten.
1837 wurde ein verpflichtender Lehrplan eingeführt. Hierin war nicht nur ein hoher Bildungsstand der Lehrkräfte festgeschrieben, sondern auch ein verpflichtender Lehrplan definiert. So konnte sichergestellt werden, dass Lehrer auf ein bestimmtes Grundwissen konnten, Unterrichtsinhalte nicht willkürlich ausgewählt und Schüler gleichermaßen auf das Leben vorbereitet wurden. Mit der Entstehung des Deutschen Reiches wurde Bildung zur Ländersache erklärt, sodass jedes deutsche Land selbst über seine Lehrpläne bestimmen konnte. Durch den Schulalltag zog sich die Erziehung von Disziplin, Fleiß, Respekt und Gehorsam, welche auch durch körperliche Züchtigungen durchgesetzt wurde. Auch das Militär war ein wichtiger Teil der kindlichen Lebenswelt, was unter anderem in den Kinderliedern dieser Zeit erkennbar ist.
Mit der Verstaatlichung des Schulwesens wurde auch die allgemeine Schulpflicht offiziell eingeführt, die bis heute bestand hat. Ideen zu Schulpflichtverordnungen waren zwar bereits Jahrhunderte zuvor aufgekommen, aber deren Durchsetzung gelang tatsächlich erst im 19. Jahrhundert. Nach und nach wurden immer mehr Kinder an den öffentlichen Schulen angemeldet. Allerdings waren die Klassen sehr groß. In Berlin saßen rund 70 Kinder in einem Klassenraum, sodass eine individuelle Förderung einzelner Schüler kaum möglich war.
[1] Anmerkung: Im folgenden Artikel wird zur einfacheren Lesbarkeit lediglich das männliche Geschlecht verwendet. Dieses steht in diesem Fall stellvertretend für sämtliche existierende Geschlechter, sodass niemand ausgeschlossen wird.