Wenn ein Lehrer korrigiert, wirkt das Prüfungsblatt manchmal wie mit dem roten Pinsel angestrichen. Gerade für Dyslexiker und Dysorthographiker, die mit Sprache ihre liebe Müh haben, sind diese Korrekturen zumeist demotivierend und lassen die Frage offen, wie man sich beim nächsten Mal verbessern soll. Dabei sind in der pädagogischen Forschung seit langem andere Methoden bekannt, wie der Lehrer beim Korrigieren und der Schüler beim Verbessern die Prüfung von einer reinen Lernstandserhebung zu einem Baustein zukünftig besseren Lernens umwandeln können.
Unsere Aufgabe: Den Schüler wachsen lassen
Eine sinnvolle Korrektur ist für viele Lehrer immer noch das Aufzeigen aller Fehler – der Schüler soll ja wissen, wo er wirklich steht. Manche verteilen deswegen sogar mit Absicht schlechte Noten – als könnte dies auf Schüler, die niemals Bestätigung erhielten, irgendwie motivierend wirken. Dieses Vorgehen ist – auch wenn es von vielen gut gemeint ist – mehr als kontraproduktiv für die Motivation: Wer nur negatives Feedback erhält, wird entweder verzweifelt (!) nach Verbesserung streben oder aber resignieren.
Ein wirklich realistisches Bild existiert aber nur dann, wenn auch das, was der Schüler kann, hervorgehoben wird. Nicht umsonst korrigieren immer wieder Lehrer mit Rot das Falsche, mit Grün das Richtige, verfassen einen Prüfungskommentar, der das zu Verbessernde betont, aber auch das Erreichte lobt. Mehr noch: Das Potential, das in dem Schüler schlummert, soll aufgezeigt werden und dass man daran glaubt, dass er es freischalten kann.
Konkrete Wege zur Optimierung
Damit dies gelingen kann, muss der Schüler genau wissen, woran er arbeiten soll. Dabei gilt gerade für Dyslexiker und Dysorthographiker: Eine reine Abschrift aller korrigierten Fehler kostet sie nur unnötig Zeit und bringt kaum Lerngewinn. Besser wäre, sich als Lehrperson auf ein oder zwei Fehlerbereiche besonders zu fokussieren: Diese sollen dann korrigiert werden. Deshalb lautet auch die Empfehlung, dass nicht immer alle Fehler angestrichen werden sollten: Der Fokus ist entscheidend.
Dabei reicht es aber nicht, die Fehler anzustreichen und zu verbessern. Der Schüler muss wirklich verstehen, warum etwas falsch oder richtig ist. Lässt er beispielsweise bei der Verbpräfigierung immer einen Buchstaben nach der Vorsilbe aus (z.B. veraten oder entarnen), kann man ihm eine kleine, unmittelbar einsichtige Erklärung hinschreiben: ver + raten = verraten. Prinzipiell ist es immer sinnvoll, die Fehler auf das jeweilige Rechtschreibprinzip zu beziehen, das missachtet wurde.
Es gibt weitere, ebenfalls pädagogische Möglichkeiten: Der Schüler kann seine eigenen 10 Lieblingsfehler heraussuchen und korrigieren. Er kann statt einer Korrektur seiner eigenen Fehler eine Übung zu diesem Fehlerbereich erhalten – damit er eben nicht noch einmal seine Fehler sieht, die sich dann statt der richtigen Schreibung einprägen. Definitiv hilfreich ist auch die Erstellung einer Fehlerliste für die nächste Prüfung oder ein Zettel mit den wichtigsten Regeln, an die der Schüler sich dann erinnern soll.
Übrigens: Egal, was der Lehrer von den genannten Möglichkeiten verwendet und Dyslexikern und Dysorthographikern auf die Prüfung schreibt, es sollte sehr, sehr leserlich geschehen – andernfalls kann es der Schüler nicht entziffern. Nicht ohne Grund bevorzugen manche Lehrer mittlerweile den Computerausdruck ihres Kommentars.
Farben: Nicht nur ein äußerliches Spiel
Allgemein können Lehrer durch kleine Änderungen der bisherigen Korrekturpraxis bessere Ergebnisse bei den Schülern erzielen. Nicht nur eine Kombination aus Grün und Rot, auch die Verwendung anderer Farben kann Demotivation durch ein völlig rotes Blatt vorbeugen. Als Einzelmaßnahme kann bei einem Schüler, der überhaupt nicht an sein Potential glaubt, auch einmal eine Positivkorrektur durchgeführt werden: Nur das, was richtig ist, wird in freundlichem Grün angestrichen – manch ein Schüler erlebt dabei einen positiven Schock, der belebend auf die Motivation wirkt.
Der gute Lehrerkommentar
„Du hättest besser sein können. Lern beim nächsten Mal mehr.“ Ich hatte einmal einen Schüler, der gemeinsam mit mir für eine Prüfung lernte, jeden Tag, viel und genau. Am Ende gab es eine schlechte Note und diesen Kommentar. Die Note war berechtigt, aber der Kommentar niederschmetternd und untergrub alle pädagogischen Bemühungen um den Schüler: Denn er hatte ja gelernt.
Anstatt Schülern – selbst wenn man glaubt, es sicher zu wissen – Dinge zu unterstellen, sollte ein Lehrerkommentar sich auf das fokussieren, was in der Prüfungsarbeit konkret zu sehen ist. Ein guter Lehrerkommentar verliert sich nicht in Details, sondern greift einige der wichtigsten Punkte auf: Was war gut? – Was kann verbessert werden? – Und vor allem: Wie kann es verbessert werden? Am Ende noch ein aufmunternder Kommentar à la „Ich weiß, dass du mehr kannst“ oder „Wenn du dich an die Tipps hälst, können es beim nächsten Mal 10 Punkte mehr sein“ – und fertig ist das Mondgesicht.
Zu bedenken ist, dass kein Kommentar ein persönliches Gespräch ersetzen kann – so manche schlechte Note hat sehr viel tiefsitzendere Ursachen, als man denken möchte, und bedarf sehr ausgefeilter Lösungsstrategien.
Korrekturen: Wenn schon ein Übel, dann ein sinnvolles! Korrekturen sind für Lehrer und Schüler anstrengend und zeitraubend. Umso wichtiger ist es daher, dass sie beiden Seiten etwas bringt: Dem Lehrer einen Einblick in Können, Potential und Verbesserungsnotwendigkeiten des Schülers – dem Schüler selbst aber eine konkrete und einsichtige Handlungsanweisung, wie er sich Schritt für Schritt verbessern kann…